Mit Motorradtour am Leben teilhaben
Eine Patientin der Intensivpflege in Wallrath, die am Locked-in-Syndrom leidet, soll mit einer Motorradtour aus ihrem „Dämmerzustand“ gebracht werden. Mit solch einer ungewöhnlichen Therapie wurde schon einer Patientin geholfen.
Wie lebendig begraben müssen sich Patienten fühlen, die am sogenannten Locked-in-Syndrom leiden. Sie haben durch einen Schlaganfall oder eine Hirnblutung ihr Sprachvermögen verloren, können sich gar nicht oder nur noch minimal bewegen. Die auch in Jüchen-Wallrath ansässige Intensivpflege Peltzer hat inzwischen neue Wege gefunden, um Locked-in-Patienten durch besondere Stimulation weitgehend aus ihrem „Dämmerzustand“ herauszuholen. Ein probates Mittel ist, so abwegig es auf den ersten Blick erscheinen mag, ein Motorrad-Ausflug. Das wurde jetzt erstmals erfolgreich erprobt.
Und solch eine ungewöhnliche Therapie steht jetzt auch einer 51-jährigen Locked-in-Patientin bevor, die in der Intensivpflegeeinrichtung in Jüchen-Wallrath wohnt und dort betreut wird. Sie hat, bevor sie erkrankte, oft mit ihrem Ehemann auf dessen Harley Davidson Motorradausflüge unternommen. Mit der geplanten Tour soll sie nicht nur an gute, „alte“ und gesunde Zeiten erinnert werden.
Guido Faßbender, Geschäftsführer der Peltzer-Intensivpflege, erhofft sich so auch eine Aktivierung der Selbstheilungskräfte und eine positive psychologische Wirkung auf die Patientin, bei er er gemeinsam mit deren Ehemann beobachtet hat: „Wir haben den Eindruck, dass die Patientin zeitweilig aus dem Locked-in-Syndrom schon etwas aufwacht und gute Ansätze zeigt. Sie zieht sich dann aber immer wieder zurück. Die Patientin braucht deshalb eine besondere Anregung und eine Stimulation über das hinaus, was wir pflegerisch schon leisten.“ Faßbender selbst ist ausgebildeter Intensivpfleger und passionierter Motorradfahrer.
Er erzählt: „Mir ist bei einem Motorradausflug in die Eifel plötzlich der Gedanke durch den Kopf gegangen, wie es denn vielleicht ermöglicht werden könnte, auch Locked-in-Patienten so etwas zu ermöglichen, um ihnen zu zeigen, dass sich das Leben und das Kämpfen um ihre Genesung lohnen.“
Auf die Idee folgten Taten, und Faßbender suchte über das soziale Netzwerk Facebook Motorradfahrer, die sich für solch eine ungewöhnliche Therapie-Tour zur Verfügung stellen wollten und vor allem auch konnten. Es meldete sich bei ihm der BTfOG aus Wassenberg. „Biker und Triker fahren ohne Grenzen“, bedeutet die Abkürzung. Und der Club, der ausschließlich aus gestandenen und erfahrenen Harleyfahrern besteht – „das sind keine Rocker“, betont Faßbender – realisierte einen ersten Ausflug für eine Locked-in-Patientin aus der Intensivpflege in Schwalmtal.
Der BTfOG habe seit 16 Jahren das Ziel, Behinderte und Kranke an der Gesellschaft teilhaben zu lassen. „Sie unternehmen keine Tour, bei der nicht auch ein behinderter Mensch dabei ist“, berichtet Faßbender über den Motorradclub, der auch von einem ausgebildeten Krankenpfleger geleitet werde. Die Patientin aus der Einrichtung in Wallrath soll übrigens, wie es der Club immer handhabt, in einem besonders geräumigen Beiwagen mitfahren, in dem neben ihr auch eine Pflegerin sitzen wird. „Wir haben alles Notwendige mit im Beiwagen und in einem zusätzlichen Begleitfahrzeug, wenn die Patientin abgesaugt oder sogar notfallversorgt werden müsste“, betont Faßbender.
Er geht jedoch davon aus, dass auch die geplante Tour durch das Jüchener Ländchen nicht nur reibungslos, sondern auch als ein positives Erlebnis für die Patientin ablaufen wird. Er rechnet mit etwa 20 Harleys, die in einem beeindruckenden Konvoi wahrscheinlich am Schloss Dyck und am Nikolauskloster vorbeifahren werden – an Orten, die mit zu den schönsten im Gemeindegebiet zählen.
Hier der Link zum Artikel: https://rp-online.de/nrw/staedte/juechen/juechen-motorradclub-ermoeglicht-locked-in-patient-die-teilhabe-am-normalen-leben_aid-32117517